Katerfrühstück in Vietnam

Vor mir sitzt ein kleiner dicker vietnamesischer Junge und nervt seine sichtlich amüsiert telefonierende Mutter abwechselnd mit Schlägen auf die Stuhllehne und Andeutungen den Inhalt Ihrer Handtasche in den leicht nach Kloake riechenden Song Sai Gon zu werfen. Die leichte Brise treibt den Geruch in die Strassen und sorgt gleichzeitig dafür, dass er schnell wieder verfliegt. Die Mutter bleibt ruhig, sie kennt den Knaben und seine Macken wohl. Auf dem müffeligen Fluss schwimmt Treibgut, fahren ein paar rostende chinesische Frachter, krächzende Schlepper aus Holz und Gebilde, die ich nicht als Boot identifiziert hätte. Aber ähnlich wie im asiatischen Strassentumult, ist auch auf dem Wasser einiges anders. Die Definition von Boot geht in etwa so: „Es schwimmt und man kann sich selber damit von A nach B bringen.“ Alles andere bleibt unwichtig. Meist passen noch ein paar verschnürte Kisten, ein halbes dutzend prall gefüllte Plastikbeutel, ein paar Hühner, diverse Eierpaletten und ein Päckchen eingeschweißte Hemden mit an Bord. Das gilt für die kleinste Djunke auf dem Fluss und für jedes Moped auf den Strassen von Sai Gon.

Den bisherign Rekord im Beladen einer Vespa hält seit gestern Nachmittag ein Bierfahrer: Neun Kisten Tigerbier hinter sich, einen Kasten Heineken zwischen den Beinen. Diese Großtat erlebten wir bei strömendem Regen mit ein paar Zigaretten unter dem löchrigen Plastikvordach eines ehemaligen Hauseingangs im District 1 in Ho Chi Minh Stadt. Der Anblick löste Bewunderung und Durst aus. Zu viel Durst. Wir stillten über die Nacht im Wechsel mit Gin & Tonic und eiskaltem Tiger Beer aus gefrosteten Dosen. Es gibt hier dafür wunderbare Orte: Bars auf Hoteldächern mit philipinisch besetzten Livebands, die gerne amerikanische Klassiker in gesprochener Lautschrift zum Besten geben. Clubs in denen als Polizisten verkleidete Securitys patroullieren oder die nur im dutzend auftretenden Plastikhocker vor den Garküchen der Stadt – auf der Strasse, in Einfahrten, zwischen ein paar hundert Mopeds. Überall dort wo ein paar Quadratmeter Platz sind.

Heute hätten wir dafür büßen sollen, aber die Vietnamesen sind schlau. Sehr schlau und sie teilen Ihr unschätzbares Wissen gern. Noch nie habe ich erlebt wie schnell man die Geister rief und die man in der Nacht zuvor geradezu zwang einem am nächsten Tag Schmerzen zu bereiten, so einfach loswerden kann. Kaffee, Wasser & Aspirin wirken gegen das Nationalgericht der Vietnamesen wie pubertierende Möchtegern- Wachmacher: Pho. Einfache Nudelsuppe. Eine heiße kräftige Brühe mit Reisnudeln, kurz gegartem Rindfleisch oder Huhn & Schnittlauch. Das war’s. Dazu gibt es meist die Möglichkeit frischen Basilikum, Chili, ein paar Sprossen und ein wenig Limettensaft dazuzugeben.

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Eine Schüssel davon hat mich heute morgen innerhalb einer halben Stunde vollständig wiederhergestellt. Die Schmerzen, die man uns heute morgen beim Gang aus unserem unklimatisierten viel zu heißen Zimmer noch deutlich ansah bin ich seit Stunden los, dank Suppe.

Der dicke Junge nervt immer noch. Seine Mutter hat inzwischen aufgelegt und damit begonnen alles zu kommentieren was der Bengel so macht. Und immer wieder deutet sie saftige Backpfeifen an. Beide bleiben inkonsequent.

Daneben sitzt seit einigen Minuten ein französisches Paar. Man sieht Ihnen die letzte Nacht an. Deutlich. In einer Stunde geht es Ihnen besser. Sie essen Pho.

Update: Inwzischen gibt es hier im Blog auch ein Rezept für Pho.

Weitere Suppenrezepte:
Gemüsesuppe

Hühnerbrühe

Steckrübeneintopf

Kartoffelsuppe mit Spargel

  1. Karla Paul

    Schön zu lesen, dass es Dir dank Pho gut geht! Du kannst mir nicht zufällig ein Rezept davon mitbringen? :-) Ich wünsche noch gute Reise & mir mehr solche Blogberichte, bin schon sehr auf Deine Bilder danach gespannt! Alles Gute weiterhin auf Deiner Reise!!!! LG Karla

    November 28th, 2010 //
  2. Natalie Schöttler

    Mir ist eingefallen, wenn du was schönes lesen willst, bei Gelegenheit, könnte dir Banana Yoshimoto’s »Kitchen« gefallen. Sie schreibt sehr blumig und hat öfter mal sehr schöne Essensbeschreibungen in ihren Büchern ;) Fiel mir gerade ein, wo du es dir doch gerade auf dem asiatischen Kontinent gut gehen lässt *g Liebe Grüße, viel Spaß und Entspannung dir von mir aus dem bitter kalten BerlinNata

    November 28th, 2010 //
  3. Julia

    danke für die schönen eindrücke!!pass gut auf dich auf und genieße!julia

    November 28th, 2010 //
  4. Andreas

    Ich wünsche dir weiterhin schöne und spannende Tage in Asien und hoffe auf weitere interesante Berichte.

    November 28th, 2010 //
  5. Paul Fritze

    Ich danke Euch! Hier ist es traumhaft schön. Bis bald & Gruß aus Saigon!

    Dezember 1st, 2010 //
  6. Fritz

    Sehr schön ge- und beschrieben. Ich kann mir alles sehr gut vorstellen. Nur der dicke vietnamesische Junge passt so gar nicht ins Bild.Schöne Reise!

    Dezember 1st, 2010 //
  7. lise

    hallo karla!hier das weltbeste pho-rezept. allerdings schäume ich die suppe einfach immer in der ersten halben stunde ab, ich giesse nicht das erste aufkochen weg. kommt bei mir mindestens einmal im monat auf den tisch. am besten immer einen großen topf brühe kochen, das ist fantastisch zum einfrieren. auch das rindfleisch zur einlage kann man gut eingefroren zu hause haben. man braucht dan lediglich thaibasilikum und koriander und sprossen frisch. zu gut!

    Januar 12th, 2011 //
  8. Paul Fritze

    Lise, Lust auf einen Gastbeitrag? Rezept vollständig aufschreiben und so? Schick mir mal eine Email, dann machen wir das aus, ok?

    Januar 12th, 2011 //

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