Franken in elf Gängen

„Geräucherte Forelle, Brioche, Brühe mit Schwarzkohl – so würde das klingen wenn man es modern annonciert.“ Selten habe ich eine untertriebenere Ansage eines Tellers gehört. Torsten von Allem Anfang hat an diesem Abend in Nürnberg mit seinem Amuse beeindruckend vorgelegt und aus geräucherter Forelle eine Mousse auf Brioche gegeben. Dazu gab es einen aus den Karkassen der geräucherten Forelle gezogenen Fond als Shot mit kurz gebratenem Schwarzkohl und Sesam. Abgeschmeckt mit Sojasauce. Die Messlatte für das was folgen sollte war gelegt.

Foodcamp Franken Forellenmus von Torsten

Fotos: Daniela Haug

Die Küchenparty am vergangenen Samstag Abend in der Mobilen Kochkunst war langsam angelaufen. Die Stimmung irgendetwas zwischen rotwangiger Vorfreude zwischen dampfenden Töpfen und voller Konzentration auf das eigene Gericht, denn man wollte ja mal zeigen was so möglich ist.

Wir sind mit 25 Foodbloggern aus Deutschland und England für vier Tage nach Franken ins Foodcamp gefahren um dort Produzenten, Spezialitäten und Produkte zu entdecken. Für die Küchenparty war die Frage wie wir die Vielfalt der Region auf jeden einzelnen Teller bekommen. Wir haben Metzger, Winzer und Bäcker eingeladen, damit wir uns für die Besuche und Einblicke in Ihre Produktionen an den Vortagen bei Ihnen angemessen bedanken konnten. Der Druck war also stabil hoch.

Torsten hatte vorgemacht wie es geht. Die Forellen und der Schwarzkohl kamen vom örtlichen Händler und der Brioche von Arnd Erbel, der nicht nur der zitierfähigste, sondern auch begnadetste Bäcker weit und breit ist. Der Mann, der die Sterneküchen beliefert sagt von sich selber er habe nur ein Rezept: „Wasser, Mehl, Hefe, Salz. Der Rest sei Gedöns.“ Wie angenehm. Jörg hat zu dem Mann ausführlich geschrieben.

Die Kohlrabisuppe von Stevan von Nutriculinary, Simone von Pi mal Butter und Sophia von Cucina Piccina wurde serviert. Oben drauf mit Radieschenklein, frittierter Petersilie und Mohn! Die frittierte Petersilie habe ich schon gemacht (auf Püree und auch auf Käse). Lecker und Kross. Kohlrabi habe ich noch nie zur Suppe gemacht, auch das wird zu Hause nachgeholt. Massives #LeggaDigga.

Foodcamp Franken Kohlrabisuppe

Der zweite und der dritte Gang wurden zu einer Bayrisch-Britischen Co-Produktion. Annette von Culinarypixel und Ed von Rocket & Squash verzogen sich an den letzen Tisch in der Küchenecke, faselten schon bei den Vorbereitungen am Vorabend verschwörerisch von selbstgemachtem Ricotta und Sellerie in Salzkruste.

Das Ergebnis war schlicht perfekt: Der erste Gang wurde zu einem schmatzigen Klacks über Nacht entstandenem Ricotta mit Tomaten in verschiedenen Formen und Konsistenzen. Dazu wurden halbierte Zwiebelsphären gereicht, deren Ränder ordentlich karamellisiert und mit eingelegten Gurkenstücken und dem Tomatensud gefüllt wurden. Wir reden hier über die große Kunst mit den besten Produkten so wenig wie notwendig zu machen und damit alles was möglich ist aus den Bestandteilen herausholt. Bravo!

Foodcamp Franken Culinarypixel und Rocket And Squash

Annette von Culinarypixel und Ed von Rocket & Squash

Der zweite Gang der beiden sich bis zu dieser Reise unbekannten Köche verfolgte eine ähnliche Philosophie: Wie bekomme ich aus dem Produkt das beste heraus ohne es zu verändern? Der Sellerie wurde in Salz ausgebacken und zurückhaltend gewürzt (=genau richtig.) mit Sauerampfer in einem Sellerie-Sud serviert. So geht außergewöhnliche Gemüseküche. Essigbrätlein, nimm dich in Acht. Mit so hervorragenden Produkten können Annette und Ed das auch! (Den Abend im Essigbrätlein, könnt ihr bei Peter von Aus Meinem Kochtopf nachlesen.)

Foodcamp Franken Sellerie in Salzkruste

Paul, Mundschenk im NordenBerlin, und ich haben als vierten Gang einen unserer NordenBerlin-Klassiker fränkisch aufgetischt. Ein kleiner Teller mit einem rohen Eigelb, über Nacht in Dill gewürzter und gebeizter Lachsforelle, eingelegten Schalotten, salzigen Gurken, Crumble aus einem Sauerteigbrot von schon o.g. Arnd Erbel und frischem Meerettich. Da auch die Reste aus den Schüsseln an unserer Arbeitsstation unters Tresenvolk verteilt wurden gehe ich davon aus, das auch dieser Gang geschmeckt hat. Das Originalrezept aus dem NordenBerlin findet ihr hier bei Peggy.

Foodcamp Franken Gebeizte Lachsforelle

An dieser Stelle kam Christian vom Küchenfunk einfach so mit 40 Löffeln aus der Küche. Resteverwertung vom Vorabend: Ziegenkäsecreme mit einer Kürbisgnocchi und gesalzenen Erdnüssen. Mein Lieber Herr Gesangsverein, was da so alles zwischendurch geht.

Foodcamp Franken Kürbisgnocchi

Das nächste Highlight lies nicht auf sich warten, denn Hendrik vom Wurstsack Blog hat am Vorabend mit seiner uralten Wurstpumpe per Hand rund 120 Därme gefüllt. Das Brät dafür haben wir morgens beim Metzger Martin Seefried in Abenberg mitbekommen. Der hatte uns mit seiner Truppe gezeigt wie man ein Schwäbisch Hällisches Schwein zerlegt, wo man dort das Schäufele findet und wie man Leberwurst macht. Während unsere selbst gemachten Würste auf dem Grill lagen, wurde ein halbes Rind zerlegt und im Laden des Betriebs Wurst verkostet. Wurst! Solche Mengen an wirklich guter Wurst! Fahrt da mal hin.

Die Gewürzmischungen für die drei unterschiedlichen Bratwürste von Hendrik wurden spontan kreiert: Zitrone und Ingwer, Rote Beete und Apfel, sowie Hagebutte. Dazu hat Stevan ein kleines Brötchen aus seinem eigenen Kochbuch Auf die Hand gebacken und es wurden Drei am Weckla serviert. Die Berlin-Hamburgische Interpretation des Nürnberger Klassikers. Ich saß bei diesem Gang zufällig o.g. Martin Seefried gegenüber und glaube es wird in Zukunft mindestens eine der Hendrikschen Wurstvariationen auch bald in Abendberg in der Frischetheke geben.

Foodcamp Franken Drei am Weckla

Jörg von Utecht schreibt servierte dann die Erfrischung vor den folgenden zwei Fleischgängen: Zitronenkraut. Was das Essigbrätlein kann, können wir auch. Annette und Ed haben es bewiesen und Jörg machte sich dran zwei Spitzkohle hauchdünn in der Aufschnitt-Maschine zu verarbeiten und den Saft und die Schale von 8 (!) Zitronen einzuarbeiten. Das ganze wurde dann mit einem Löffelchen brauner Butter serviert. Selten habe ich so viele Menschen gleichzeitig vom Tisch aufstehen sehen, schnurstracks in die Küche eilend, nur um dort die Reste direkt aus der Schüssel zu verputzen. Kohl wie er sein soll, angelehnt an die Idee von Sauerkraut. Nur an diesem Abend so viel besser!

Foodcamp Franken Sauerkraut

Foto: Daniela Haug

Auftritt Claus Schlemmer von Nur das Gute Zeugs: „Das ist Fleisch mit Gemüs‘.“ Er wollte Torsten im Understatement schlagen und den Wettbewerb, den ich hier andichte, den ist er auf dem besten Wege zu gewinnen. Das Bürgermeisterstück was wir auch am Vortag von Martin aus der Metzgerei mitgenommen haben, wurde über Nacht geschmort und mit Kräuterkruste auf knackigen Bohnen serviert.

Foodcamp Franken Bürgermeisterstück

Fotos: Daniela Haug

Auftritt Claus Schlemmer, Teil II: „Das ist auch Fleisch mit Gemüs‘.“ BOAH! Spiel, Satz und Sieg. Schweinebacken (ratet woher…), die einem schon auf der Gabel bereit für den Mund zerfallen sind, mit Steinpilz-Tomaten-Gemüse und gebratenen Karotten Julienne. Für mich das persönliche Fleisch-Highlight des Wochenendes.

Foodcamp Franken Schweinebacke

Foto: Petra Hildebrand

An unserem ersten Tag in Nürnberg sind wir zu Andreas Gänstaller, einem der Top Brauer Europas, in die Brauerei nach Hallerndorf gefahren und haben uns dort seinen Arbeitsort angesehen. Der Mann hat eine riesige Kühlwanne auf dem Dachboden, in welchem er noch immer jedes Bier auf rund 70 Grad runterkühlen lässt, weil dieser Arbeitsschritt seinen Bieren einen besonderen Geschmack geben würde. Wir haben dort nicht nur Biere probiert (Baltic Porter!), sondern auch einen Eimer Treber mitgenommen aus dem an diesem Abend der Nachtisch werden sollte. Beim Küchenfunk von Christian könnt ihr knapp eine Stunde in unseren Brauereibesuch reinhören.

Die Bier-Birnen-Boys Stevan und Torsten waren noch ein letztes mal an diesem Abend am Werk. Aus Bier schlug Torsten Zabaione, Stevan lies die Birnen in reichlich Butter und Zucker karamellisieren. Beides landete schließlich gemeinsam mit dem Crumble, der aus dem Treber von Gänstaller gemacht wurde, als Nachtisch auf den Tellern der Truppe. So macht man das.

Foodcamp Franken Bierzabaione und Birnen

Foto: Daniela Haug

Zum Schluss des Menus hat jemand (Danke!) um die Ecke Käse besorgt und es wurden von Dorothée von Bushcooks Kitchen eine Vielzahl an selbstgemachten Chutneys und schwarzen Nüsse aufgetischt. Noch so ein Gedicht!

Den gesamten Tag und zum Essen begleiteten uns ausnahmslos hervorragende Weine von Melanie und Matthias vom Weingut Bickel Stumpf, sowie die Naturweine von Melanie und Michael, die unter dem Namen 2Naturkinder für Aufmerksamkeit sorgen. Bäcker Arnd Erbel und Metzgermeister Martin Seefried möchte ich besonders hervorheben. Die beiden Kerle erarbeiten Produkte wie nur ganz wenige Menschen.

Foodcamp Franken Michael Voelker Arnd Erbel

Michael Voelker & Arnd Erbel; Fotos: Daniela Haug

Großes Frankenkino. Nur Hauptdarsteller. Und der laufende Wunsch, dass der Abend nicht zu Ende geht. In diesem Sinne: „Mein Schwanz bleib dran, ich bin ein Bioschwein.“ 

———————–
Das Foodcamp Franken 2014, organisiert durch die Bayern Tourismus Marketing GmbH hat diese Reise und den Abend möglich gemacht. Herzlichen Dank.
————————

Add your comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Geschichten aus der Küche & von unterwegs.